Einstimmiger Beschluss des SPD-Landesparteitags Sachsen-Anhalt am 24.1.2020 in Aschersleben

Nach der Landtagswahl 2016 haben wir gemeinsam beschlossen, auf Landesebene eine Koalition mit CDU und Grünen einzugehen. Diese Koalition geht jetzt in die letzte Phase ihrer Arbeit. Schon bei der Bildung der Regierung war klar: Das ist kein auf Dauer angelegtes Bündnis. Für uns gilt deshalb: Mit der Landtagswahl 2021 werden die Weichen neu gestellt. Wir werden uns in den nächsten Monaten darauf vorbereiten, mit einem erneuerten personellen und programmatischen Angebot zu dieser Wahl anzutreten und für eine demokratische, handlungsfähige Mehrheit in Sachsen-Anhalt zu kämpfen, die unser Land stärker macht, mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzt und für die Werte einer freiheitlichen, weltoffenen Gesellschaft einsteht.

Wofür wir angetreten sind:

Die Regierungsbildung 2016 verfolgte das Ziel, dass demokratische Parteien – trotz ihrer großen Unterschiede – angesichts zahlenmäßig starker Rechtsextremisten im Landtag beweisen, dass sie gemeinsam regieren und gestalten können. Zu diesem Anspruch stehen wir.

Wir haben dennoch beim Landesparteitag im April 2016 in Halle deutlich gemacht, dass es mit uns keine Regierungsbildung um jeden Preis gibt, und haben sechs „Knackpunkte“ für die Bildung der Koalition festgelegt:

  • eine Offensive für die Kommunen, einschließlich Verbesserungen beim KiFöG zur Entlastung von Eltern und Kommunen
  • mehr Sicherheit durch mehr Polizistinnen und Polizisten auf der Straße
  • volle Unterrichtsversorgung durch mehr Lehrerinnen und Lehrer
  • sichere Hochschulfinanzierung
  • Investitionen in den sozialen Arbeitsmarkt als neue Perspektive für Langzeitarbeitslose
  • eine Politik für Demokratieförderung und Integration

Was wir erreicht haben:

Der in einigen Bereichen überzogene Sparkurs früherer Jahre gehört der Vergangenheit an. So ist die Stärkung der kommunalen Finanzen seit Beginn der Wahlperiode Priorität sozialdemokratischer Landespolitik. Mit der Einstellung von bislang über 2.000 Polizeianwärterinnen und -anwärtern wurde dafür gesorgt, dass in Sachsen-Anhalt künftig mehr Polizei auf der Straße ist.

Mit dem neuen KiFöG und der Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes haben wir zielgenau Mehrkindfamilien und Eltern mit niedrigen Einkommen entlastet, den Einstieg in bessere Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher geschafft und die Fachkräftesicherung unterstützt. Wir haben das Schulgeld für Pflegekräfte und andere soziale Berufe abgeschafft. Mit dem Programm zum sozialen Arbeitsmarkt wurden 2.000 Menschen in Beschäftigung gebracht, die lange keine Teilhabe am Arbeitsleben hatten. Bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und der Fachkräftezuwanderung sind die Fortschritte deutlich.

Die Grundfinanzierung der Hochschulen als Leuchttürme der Entwicklung unseres Landes wurde nachhaltig erhöht, unter anderem zur Schaffung neuer und zur Entfristung bestehender Stellen. Mit dem neuen Hochschulgesetz werden die Bedingungen für gute Arbeit weiter verbessert, die Hochschuldemokratie gestärkt und die Möglichkeiten für Ausgründungen und Zusammenarbeit mit Unternehmen ausgebaut. Die Wirtschaftsförderung wurde schwerpunktmäßig auf die Stärkung von mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetrieben ausgerichtet. Gleichzeitig wurden große neue Ansiedlungsvorhaben in der Industrie auf den Weg gebracht.

Wir haben mit dem Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit den Menschen den Rücken gestärkt, die sich engagieren für ein friedliches Zusammenleben, für eine selbstwusste Demokratie, gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Nach dem Anschlag von Halle ist das wichtiger denn je, ebenso wie der Einsatz der Sicherheitsbehörden gegen rechtsextremistische Terroristen und Straftäter.

Was noch nicht geschafft ist:

An den Schulen unseres Landes gibt es immer noch keine umfassende Unterrichtsversorgung. Im Gegenteil: Die Situation hat sich weiter verschlechtert. Mit der Einstellung neu ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer wurde ebenso zu spät begonnen wie mit der Gewinnung von Seiten- und Quereinsteigerinnen und -einsteigern.

Die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet und Mobilfunk macht in vielen Regionen gute Fortschritte, ist aber noch längst nicht überall erreicht.

Das Tariftreue- und Teilhabegesetz, mit dem Land und Kommunen eine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung guter Arbeit und tarifgebundener Löhne übernehmen würden, wird von der CDU blockiert.

Und für ein Paritätsgesetz zur gleichen Vertretung von Frauen und Männern in Parlamenten gibt es noch nicht mal einen Entwurf.

Das Ziel einer modernen, funktionsfähigen, personell und sächlich gut ausgestatteten Polizei und Justiz ist noch nicht erreicht. Wir benötigen dringend eine aktive Einstellungspolitik einschließlich attraktiver Beschäftigungsbedingungen.

Insgesamt gilt: Mit dem Koalitionsvertrag von 2016 wurde mit vielen guten Projekten eine positive Entwicklung angestoßen. Was in dieser Koalition nicht möglich ist, ist eine langfristig angelegte, übergreifende Strategie für zukunftsfähige Strukturen der Daseinsvorsorge in allen Regionen unseres Landes, von der Gesundheitsversorgung bis zum ÖPNV.

Was wir jetzt durchsetzen müssen:

Im Landeshaushalt 2020/21 müssen für die verbleibende Zeit der Legislaturperiode die sozialdemokratischen Vorhaben in den Bereichen Arbeit, Soziales und Integration sowie Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung abgesichert werden. Dasselbe gilt für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Azubi-Ticket und für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge.

Wir unterstützen alle Anstrengungen, mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Bürokratische Blockaden im Verfahren müssen abgebaut werden. Damit das gelingt, muss das Land auch Seiten- und Quereinsteigerinnen und -einsteiger gewinnen und dafür sorgen, dass ihr Einstieg gelingt. Gleichzeitig steht die SPD dafür, die Vielfalt der Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Schulschließungen aus Lehrermangel darf es nicht geben! Das Erfolgsmodell der Gemeinschaftsschule muss weiter ausgebaut und gestärkt werden, einschließlich des Aufbaus von Abiturstufen.

Das Tariftreue- und Vergabegesetz muss kommen. Sachsen-Anhalt muss weg von Billiglöhnen, Niedrigrenten und Abwanderung!

Beim Ausbau des Mobilfunks im Land müssen die weißen Flecken schnell verschwinden. Die jüngsten Zusagen der Mobilfunkbetreiber und die neue Mobilfunkstrategie des Bundes bieten die Gelegenheit, beide verstärkt in die Pflicht zu nehmen.

Der Erhalt einer hochwertigen Gesundheitsversorgung hat für uns oberste Priorität. Die Krankenhauslandschaft muss qualitativgestärkt und wirtschaftlich stabil gehalten werden und in ein aufzubauendes Netz regionaler Gesundheitszentren integriert werden. Dazu wird die Umsetzung auch innovativer Modelle unterstützt und gefördert. Die rasante Ökonomisierung und die Orientierung auf Rendite in Gesundheit und Pflege muss zurückgedrängt werden. Kommunale Krankenhäuser müssen in öffentlicher Hand bleiben.

Wo wir hin wollen:

Wir werden in den nächsten Monaten ein Wahlprogramm mit klarer sozialdemokratischer Grundhaltung und mit konkreten Handlungsperspektiven für fortschrittliche Politik in Sachsen-Anhalt erarbeiten. Dafür suchen wir das direkte Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Verbänden, Gewerkschaften und Vereinen. Demokratie braucht Beteiligung – diese Einsicht braucht neue Wege, die wir gemeinsam auf allen Ebenen der Partei suchen und gehen müssen.

  • Wir wollen, dass 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Angleichung bei Löhnen, Renten und wirtschaftlicher Entwicklung vollendet wird.
  • Wir wollen ein Land der Zukunftsbranchen, der innovativen Verfahren und Produkte und der modernen Infrastruktur werden, ein Land, das junge Menschen hält und anzieht, ein Land, in dem Zukunft geschmiedet wird. Wir wollen ein Land, das auf Wachstum statt Schrumpfung, auf Zuzug statt Weggang und auf Zuwanderung statt Ausgrenzung setzt.
  • Wir wollen in Stadt und Land in Sachsen-Anhalt gleichwertige Lebensbedingungen durchsetzen. Dafür muss Politik für den ländlichen Raum aus der Perspektive des ländlichen Raums entwickelt werden. Ländliche Räume sind Regionen mit eigenen Potentialen und eigener Lebensqualität. Wir brauchen die großen Städte als urbane Zentren und überregionale Anziehungspunkte und wollen ihre positive Entwicklung der letzten Jahre weiter unterstützen. Wir wollen Lebensqualität und Zukunftsperspektiven in allen Regionen des Landes sichern. Dazu gehört auch eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und ihrer finanziellen Spielräume.
  • Wir wollen ein Bildungssystem, in dem längeres gemeinsames Lernen wieder die Regel wird. Dafür wollen wir die Gemeinschaftsschule stärken und ausbauen.
  • Wir wollen in allen Bereichen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Inklusion möglich wird.
  • Wir nehmen die Herausforderung an, den Klimawandel zu bewältigen. Wir brauchen die Klimawende, um den Generationen unserer Kinder, Enkel und Urenkel einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Für uns als SPD gilt dabei der Grundsatz: Klimaschutz darf nicht zur sozialen Frage werden. Energiewende, Verkehrswende und Wohnwende können nur gelingen, wenn alle Teile der Gesellschaft an der Entwicklung teilhaben.
  • Wir wollen eine Gesellschaft ohne Hass und Gewalt. Wir bekennen uns uneingeschränkt zu einem vielfältigen Land, das die freie Ausübung von Religion, Kultur und diversen Lebensweisen ermöglicht. Wir setzen uns ein für eine solidarische Gesellschaft, in die sich Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Aussehen oder ihrem ökonomischen Status einbringen können. Dazu muss der Einfluss von Rechtsextremisten in den Parlamenten und im Alltag zurückgedrängt werden.

Unser Ziel ist es, dass in einem neu gewählten Landtag mit großen demokratischen Mehrheiten wieder Koalitionsbildungen nach politischen Übereinstimmungen möglich werden. Wir  streben eine progressive Mehrheit anstatt erzwungener Bündnisse an.

2021 wird Sachsen-Anhalt vor der Richtungsentscheidung stehen, ob Anstand und Vernunft Leitlinien der Regierungspolitik sein sollen oder ob das erste CDU/AfD-Regierungsprojekt installiert wird. Wir werden die Zeit bis zur Landtagswahl nutzen, um allen Bürgerinnen und Bürgern diese Entscheidungsalternativen deutlich zu machen.