Katja PaehleBeim Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalt zur Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl 2021 erklärt die Spitzenkandidatin Katja Pähle:
 
Die Landtagswahl am 6. Juni nähert sich mit Macht. Drei von fünf entscheidenden Schritten haben wir schon getan, um uns für diese Wahl aufzustellen:
 
Schritt eins war, dass – als Teil der organisatorischen und personellen Erneuerung der SPD – erstmals das Votum der Mitglieder über die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl entschied; so wie zuvor schon über unsere neue Doppelspitze. Für den fairen, breit angelegten Meinungsstreit bei dieser Entscheidung bin ich im Rückblick heute noch dankbar.
 
Schritt zwei habt Ihr in den 41 Wahlkreisen getan, indem Ihr überall entschieden habt, wer im Wahlkampf vor Ort das Gesicht der SPD sein soll. Herausgekommen ist eine starke, bunte Mannschaft, die gemeinschaftlich im ganzen Land für das Rennen um den neuen Landtag antritt.
 
Schritt drei war die Verabschiedung eines klaren sozialdemokratischen Wahlprogramms auf unserem digitalen Parteitag vor vier Wochen. Wir haben damit die Nase vorn: Wir haben nicht nur als erste Partei unsere politischen Ziele für diese Wahl bestimmt, wir haben auch als erste online ein Programm durchgearbeitet und beschlossen. Das war voller Einsatz für die Sozialdemokratie, sogar in der Badewanne…
 
Schritt vier gehen wir heute: die Aufstellung unserer Landesliste. Bei dieser Listenaufstellung wird es Änderungsvorschläge und konkurrierende Kandidaturen geben. Das ist demokratische Normalität; und es ist auch notwendig, um abschließend zu entscheiden, wie auf dieser Liste regionale Interessen, fachpolitische Kompetenz, die Einbeziehung junger Genossinnen und Genossen und anderes mehr berücksichtigt werden. Entscheidend ist nicht, ob wir diese Auseinandersetzung führen, sondern wie wir sie führen. Für das Begleichen von persönlichen Rechnungen ist heute nicht der richtige Tag. Denn am Ende muss eine Liste stehen, die von allen getragen wird, und ich bin zuversichtlich: Das kriegen wir hin.
 
Und obwohl das allein schon ein dickes Brett ist, meine ich, wir sollten auch noch einen fünften Schritt gehen, gleich heute und jetzt: Schritt fünf ist das Umschalten in den Wahlkampfmodus: Wir stellen uns nicht nur auf, sondern wir ziehen dann auch los.
 
Wir sind nicht die einzige Partei, die heute ihre Liste zur Landtagswahl aufstellt. In Dessau tagt nämlich der CDU-Parteitag, und er hat ein schier unlösbares Problem vor der Brust: Es geht um die Frage, ob die CDU es schafft, eine (!) zusätzliche Frau auf die Liste zu bringen – das wäre dann die dritte (!) Frau auf den ersten 30 (!) Plätzen.
 
Zwei Frauen – so viele sitzen heute für die CDU im Landtag. Zwei Frauen – so viele hat die CDU auch schon 1946 in den Landtag von Sachsen-Anhalt geschickt. Das steht sinnbildlich für das Tempo, mit dem sich die CDU der gesellschaftlichen Wirklichkeit im 21. Jahrhundert stellt! Das zeigt, dass die CDU, auch wenn sie in Sachsen-Anhalt seit langem die Partei mit den meisten Stimmen ist, nicht annähernd für die Vielfalt und die unterschiedlichen Stärken unseres Landes steht. In einer Welt, die sich rasant verändert, kann die CDU als Partei des Stillstands nicht die richtigen Antworten geben. Dort scheint die Entscheidung um das Personal auch wichtiger zu sein als die um den Inhalt – oder warum wird das CDU-Programm noch nicht öffentlich gemacht?
 
Deshalb sage ich, es ist Zeit für den Wahlkampfmodus.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Wettstreit darum, wer zukunftsorientierte Politik fürs ganze Land macht: für Männer und Frauen, für alle, unabhängig von Identität, Herkunft und Hautfarbe.
 
Wer Teilhabe für alle bietet.
 
Wer Sachsen-Anhalt attraktiv macht für Menschen, die hierher kommen, und für die, die hier bleiben, um hier zu leben, zu arbeiten und zu investieren.
 
Wer dafür steht, dass Menschen in Sachsen-Anhalt Wertschätzung statt Ausgrenzung erfahren.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Wettstreit darüber, was den Menschen in unserem Land nützt: Billiglöhne – oder gutes Geld für ihre gute Arbeit?
 
Das Land kann keine Löhne vorschreiben. Das ist richtig. Aber: Als öffentliche Auftraggeber sind Land und Kommunen ein gewichtiger Faktor. Mit Armin Willingmanns Tariftreuegesetz würde dieses Gewicht in die Waagschale geworfen – gegen Billiglöhne, für faire Bezahlung bei jedem öffentlichen Auftrag.  Der CDU reicht es nicht, dieses Gesetz zu blockieren. Die CDU-Wirtschaftspolitiker wollen sogar das bestehende Vergabegesetz mit allen darin festgeschriebenen internationalen Arbeitsnormen abschaffen. Das werden wir im Wahlkampf den Menschen erzählen, und darum lohnt sich der Wettstreit.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Wettstreit darum, wer in der Krise unsere Wirtschaft stärkt; und erst recht darum, wer nach der Pandemie die Impulse gibt, um aus der Krise wieder herauszukommen.
 
Die Bundesregierung hat dank der Politik von Olaf Scholz mehr getan als jede andere europäische Regierung, um die Wirtschaft in der Pandemie zu stützen, und das ist gut so. Und trotzdem kennt wahrscheinlich jede und jeder von uns jemanden, der trotz dieser Hilfen in die Röhre guckt. Noch mehr Menschen haben Angst vor Insolvenz oder vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes.
 
Mit Überbrückungshilfen allein ist es nicht getan. Wenn die Beschränkungen enden, brauchen wir einen aktiven Staat, der kräftige Investitionsimpulse setzt – und der denen einen neuen Start ermöglicht, für die die Durststrecke im Shutdown einfach zu lang war. Wir haben als einzige Partei in Sachsen-Anhalt ein Konzept für einen solidarischen Weg aus der Krise vorgelegt. Alles, was wir von der CDU dazu bislang gesehen haben, ist der zugeknöpfte Geldbeutel des Finanzministers. Aber gerade dann, wenn die Unternehmen in unserem Land wieder durchstarten können, muss der Staat mit Investitionen seinen Teil beisteuern – wir dürfen den Aufschwung nicht kaputtsparen!
 
Wir fordern die CDU heraus – zur Debatte darum, wie unser Gesundheitssystem stark und leistungsfähig bleibt. Vor der Pandemie haben es vielleicht Manche nicht mehr wahrhaben wollen, heute kann es niemand mehr übersehen: Wir brauchen unsere Krankenhäuser, und wir brauchen sie flächendeckend und in öffentlicher Verantwortung.
 
Damit das so bleibt, muss sich vieles ändern. Bei vielen Erkrankungen muss man heute nicht mehr stationär ins Krankenhaus – gottseidank. Deshalb müssen Krankenhäuser mit ambulanten Behandlungszentren kooperieren. Der Begriff der Poliklinik ist sicher noch vielen bekannt. Die Modelle für solche Netzwerke gibt es. Den Plan, um sie umzusetzen, hat Petra Grimme-Benne mit den Krankenhausträgern lange verhandelt. Was es kostet, wissen wir auch. Ratet, wer auf der Bremse steht und die Mittel nicht freigeben will.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Wettstreit um die Zukunft unserer Schulen.
 
Nach fünf Jahren Stillstand in der Bildungspolitik, nach immer schlimmer werdendem Lehrermangel und Kürzungen, nach Schikanen für die Gemeinschaftsschulen, nach ausgebliebener Digitalisierung und jetzt nach den Folgen von Corona – nach dieser trostlosen Bilanz brauchen unsere Schulen neue Weichenstellungen. Und wir brauchen gerade jetzt Perspektiven, um den Schülerinnen und Schülern in allen Regionen gute Abschlüsse bieten zu können. Die Gemeinschaftsschule ist und bleibt dafür der wichtigste Ansatz.
 
Und wofür will die CDU stattdessen in den Wahlkampf ziehen? Für eine Lehrerausbildung, die siebt und separiert: mit Gymnasiallehrern, die weiterhin an der Universität ausgebildet werden, und dem restlichen Lehrpersonal, das auf Pädagogische Hochschulen verwiesen wird. Das ist das Gegenteil von dem, was wir für eine moderne, durchlässige Gesellschaft und für die Zukunftschancen unserer Kinder brauchen.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Streit darum, wie wir den Klimaschutz zum Motor für technologische, ökonomische und soziale Innovation machen.
 
Über die CDU ist an dieser Stelle wenig zu sagen, sie ist da keinen Schritt weiter als in der Gleichstellungspolitik.
 
Wir dagegen stellen uns der Realität und wollen Klimaschutz so organisieren, dass er uns stärker macht: durch die Nutzung wissenschaftlicher und technologischer Potentiale für die Wasserstofftechnologie in Sachsen-Anhalt, zum Beispiel durch die Umstellung unserer Automobilzulieferer auf klimaneutrale Antriebe. Und durch flächendeckenden Nahverkehr in jedes Dorf.
 
Wir fordern die CDU heraus – zum Vergleich, welche Partei die Leistungsträger stellt in dieser Landesregierung.
 
Über den Bildungsminister habe ich schon gesprochen, über den Finanzminister auch. Dass es eine Gleichstellungsministerin gibt, wird viele Menschen überraschen, wenn sie davon hören, denn davon merkt man gar nichts. Und vom Verkehrsminister hätten wir selbst nichts gewusst, wenn er nicht jahrelang versucht hätte, das Azubi-Ticket zu verhindern.
 
Hingegen die sozialdemokratische Seite im Kabinett: Petra und Armin haben sich ein brennendes Problem nach dem anderen vorgenommen und erfolgreich bearbeitet. Ich habe vieles davon beim digitalen Parteitag schon genannt und will hier nur zwei Beispiele noch einmal nennen:
  • das neue KiFöG, so früh und so konsequent angepackt, dass man es schon für selbstverständlich halten könnte: Es hat Eltern und Kommunen entlastet und gleichzeitig mehr Qualität für die Betreuung unserer Kinder gebracht;
  • und im Wirtschaftsressort die Trendwende in der Ansiedlungspolitik, mit der zahlreiche technologisch führende und industriepolitisch relevante Großinvestitionen auf den Weg gebracht wurden – endlich.
Und nicht zu vergessen: Petra und Armin sorgen gemeinsam mit unserer Landtagsfraktion dafür, dass in der Politik in Sachsen-Anhalt auch die sozialdemokratische Handschrift erkennbar ist, dass soziale Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt vorangebracht werden.
 
Das sind die personellen und politischen Leistungsträger in dieser Landesregierung, und wir können besonders froh darüber sein, dass sie auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie die entscheidenden Schlüsselressorts besetzen.
 
Und schließlich:
 
Wir fordern die CDU heraus – an der Frage, wie wir unsere Demokratie vor der Bedrohung durch neue Nazis schützen und wie wir Rassismus und Antisemitismus zurückdrängen.
 
Wir können unsere Augen nicht davor verschließen, dass Teile der CDU in Sachsen-Anhalt eine nach rechts weit offene Flanke haben. Und nicht einmal dort, wo sie unmittelbar Verantwortung trägt für eine wehrhafte Demokratie – im Innenressort und bei der Polizei –, nicht einmal dort schafft sie es, für Ordnung zu sorgen und klare Kante zu zeigen.
 
Wir stehen dagegen überall und unmissverständlich an der Seite der Menschen, die bedroht werden, an der Seite derer, die sich im Alltag stark machen für bürgerschaftliches Engagement, die vor Ort die Bündnisse für Demokratie und gegen Rassismus tragen. Stark gegen rechts: Das bleibt unser Markenzeichen, in den Parlamenten gegen die AfD – und überall!
 
Ich könnte das lange fortsetzen. Weil unser größter Konkurrent eine Partei ist, von der nichts kommt: keine Idee, keine Bereitschaft zur Veränderung, kein Mut für die Herausforderungen der Zukunft.
 
An dieser Stelle nur noch ein Punkt:
 
Ich fordere Reiner Haseloff heraus – mit der Frage, wann eine Regierung und ein Land Führung und die Übernahme von Verantwortung brauchen.
 
Wo gab es in diesem Land Führung, als aus der CDU-Spitze heraus ein Papier formuliert wurde mit dem Ziel, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“?
 
Wo gab es in diesem Land Führung, als die CDU die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks torpedierte und damit wichtige Investitionsvorhaben in Sachsen-Anhalt ins Wanken brachte?
 
Mehr Verantwortung an der Spitze stünde diesem Land gut zu Gesicht.
 
Ich will auch begründen, warum wir es sind, die die selbsternannte „Sachsen-Anhalt-Partei“ herausfordern.
 
Weil neben uns eine Linkspartei antritt, die wachsende Akzeptanzprobleme mit Ausflügen in den Populismus zu kompensieren versucht. Dass sie zu ihrem digitalen Neujahrsempfang Sahra Wagenknecht eingeladen haben, ist da nur die augenfälligste Entwicklung. Man ahnt nur, welche Gefühle die Linke mit der Wahl dieser Gastrednerin bedienen will: Ob DDR-Nostalgie oder Ressentiments gegen Integration – mir kann beides gestohlen bleiben.
 
Ein Hang zum Populismus zeigt sich aber auch in den regelmäßigen Corona-Debatten im Landtag, in denen die Linke versucht, es allen gleichzeitig recht zu machen: von den NoCovid-Anhängern, denen kein Lockdown hart genug sein kann, bis hin zu Clubbesitzern und Schulleitern, denen sie pandemiefeste Partys und infektionsfreie Schulen versprechen. So ein Auftreten nach dem Motto „Allen wohl und niemand wehe“ wird man bei uns vergeblich suchen: Wir wissen, was es heißt, Verantwortung fürs Land zu übernehmen.
 
Auf der anderen Seite haben wir Grüne, die auch in Sachsen-Anhalt kräftig daran mitwirken, Programm und Haltung ihrer Partei so glattzubügeln, dass Schwarz-Grün im Bund nichts mehr entgegensteht.
 
Wir hingegen machen Wahlkampf für „SPD pur“ – ohne Koalitionsschere im Kopf.
 
In diesem Wahlkampf brauchen wir alle:
  • Wir brauchen den Einsatz von Petra und Armin, die mit mir zusammen an vorderster Stelle Politik für dieses Land machen und die in den Wochen und Monaten bis zur Wahl ganz besonders im öffentlichen Rampenlicht stehen.
  • Wir brauchen das enge Zusammenwirken aller 41 Kandidatinnen und Kandidaten. Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, dass wir uns regelmäßig austauschen und dass die Erfahrungen und Anforderungen aus allen Wahlkreisen in die Wahlkampfplanung einfließen. Wir sind ein starkes Team, und das gilt erst recht auf diesem und nach diesem Listenparteitag!
  • Wir brauchen alle Mitglieder – mehr denn je. Viele Begegnungsmöglichkeiten und Kommunikationskanäle sind durch die Pandemie noch auf absehbare Zeit versperrt. Wir sind knapp 3.400 SPD-Mitglieder in Sachsen-Anhalt. Alle müssen ihre Möglichkeiten nutzen, unsere Botschaften zu verbreiten – denn es wird für uns ein ganz entscheidender Wahlkampf.
  • Und ich will an dieser Stelle auch die ansprechen, die oft erst am Wahlabend ganz zum Schluss genannt werden: unsere hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr stellt trotz Corona so viel auf die Beine und haltet den Laden am Laufen – was wären wir ohne Euch? Dafür schon jetzt vielen Dank – dieser Wahlkampf verlangt Euch besonders viel ab.
Jemand forderte neulich – da ging es um die Bundestagswahl –, alle in der SPD müssten sich Olaf Scholz als Kanzlerkandidat „unterordnen“. Mal abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Olaf so etwas erwartet:
 
Unterordnen – das passt nicht zur Sozialdemokratie und ihrer Geschichte.
Unterhaken – das können wir, und wir haben gelernt: Damit haben wir dann auch Erfolg.